Muster
Entstehungsjahr: | 2021 |
Entstehungsort: | Neuchâtel / Wien |
Maße: | 10 Teile, je 22 x 22 x 3 cm 1 Teil, 32 x 42 x 4 cm |
Material: | Goldstickerei auf Stoff und Foto |
Ausstellungen: | |
Kataloge: |
Eine Wildnis voller Narben!
Ein Feld, von verworrenen Furchen, zerrissen und zerfurcht!
Ein Meer von Wellen, von sich kreuzenden Stürmen getrieben!
Eine Wolke, sturmgepeitscht durch den mitternächtlichen Himmel!
Ein Trümmerfeld von glanzlosen Sternen! [1]
Das Foto eines Sklaven, genannt «Gordon», wurde am 2. April 1863 in Baton Rouge aufgenommen. Er wurde so grausam ausgepeitscht, dass der ganze Rücken ein grauenhaftes Gewebe aus Wunden und Narben war. Er floh von einer 12 km² großen Baumwollplantage am Atchafalaya River. [2]
Bedruckte Stoffe, genannt «Indiennes», waren schon seit dem 17. Jahrhundert in Europa beliebt. Die bedruckte Baumwolle war so hübsch wie Seide und für die ärmeren Bevölkerungsschichten eine Alternative zu Leinen und Wolle.
Der lukrative Handel mit ihnen war verbunden mit kolonialer Ausbeutung und Sklavenhandel. Für die Schweiz wurde Frankreichs Verbot der Herstellung und Einfuhr von diesen Tüchern im 17. Jahrhundert zum Glücksfall. Französische Protestanten, die vor religiöser Verfolgung in die Schweiz flüchteten, gründeten in Genf und Neuchâtel Textilfabriken, von wo die Indiennes über die Grenze nach Frankreich geschmuggelt wurden.
Die Nachfrage erreichte damals ihren Höhepunkt: 1785 wurde das Werk Fabrique-Neuve in Cortaillod, Neuchâtel, der größte Hersteller von Indiennes in Europa.
Der Handel brachte der Schweiz enormen Wohlstand, aber auf Kosten von anderen: Der Handel mit versklavten Menschen war die Basis eines Dreiecksgeschäfts quer über den Atlantik. Europäische Händler beluden ihre Schiffe an den Atlantikhäfen mit Rum, Waffen und insbesondere mit den an afrikanischen Fürstenhöfen beliebten Indiennes-Stoffen. In den Häfen Westafrikas tauschte man sie gegen Menschen ein, die afrikanische und arabische Sklavenhändler zur Küste gebracht hatten. Die Sklaven wurden auf den amerikanischen Kontinent zwangsverschleppt und dort als gratis Arbeitskräfte auf den Baumwollplantagen eingesetzt. Die Baumwolle wurde zur Verarbeitung dann wieder auf Schiffen in die Textilfabriken der Schweiz und Frankreichs gebracht.
1830 gab es in Genf, Neuchâtel und Biel um die 21 Indienne-Fabriken, die beinahe 3000 Arbeiter beschäftigten. Dank diesem starken Baumwollzweig konnte sich die Schweizer Wirtschaft während der Industriellen Revolution behaupten, und Schweizer Firmen, die damals groß wurden, prägten später die Schweizer Entwicklung und Kultur.
[1] Rev. George Lansing Taylor: The Scourged Back. In: National Anti-Slavery Standard, 26. September 1863, S. 4, Spalte 1, auf: scolarlyediting.org.
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Gordon_(Sklave)