Es sind nur Bänke. Schlichtes Holz, bunt bemalt. Doch am Molo Favaloro auf Lampedusa werden diese Sitzgelegenheiten zu Symbolen: für das Ankommen, für eine Atempause, für ein Stück Würde an einem Ort, der oft das Gegenteil vermittelt.
Der Hafen, an dem jeden Tag MigrantInnen landen, zeigt die Brüche in Europas Umgang mit Flucht und Migration. Die Bänke, von der Zivilgesellschaft aufgestellt, erzählen eine andere Geschichte: die einer solidarischen Antwort auf das Schweigen der Institutionen.
Im Frühjahr 2023 reiste eine Delegation der interkulturellen Kommission EcumMè aus der Provinz Bergamo nach Lampedusa. Was sie dort vorfand, ließ keinen Raum für Gleichgültigkeit: Molo Favaloro, der erste europäische Boden für so viele Schutzsuchende, bot weder Schutz noch die Möglichkeit, sich auszuruhen. Stattdessen gab es Verfall, Vernachlässigung, Verwahrlosung.
So entstand das Projekt CAL-CARE. Der Name - eine Wortschöpfung aus dem Italienischen "calcare" (Fels) und dem Englischen "care" (Fürsorge) - spiegelt den Anspruch wider: einen Ort der Kraft und Fürsorge zu schaffen. Bänke wurden gestaltet, transportiert und am Hafen aufgestellt. Nicht von den Behörden, sondern von Freiwilligen. In Workshops wurden Kinder und Jugendliche aus den Diözesen Bergamos in die Gestaltung der Bänke einbezogen. Sie haben gemalt, geschrieben, über Migration und Gerechtigkeit diskutiert. Eine Bank steht auch in ihrer Heimat: als Brücke zwischen den Erfahrungen auf der Insel und den Gemeinden in Norditalien.
Die Bänke sind weit mehr als Möbel, sie stehen für einen Moment der Menschlichkeit inmitten des Chaos.
Nicht am Hafen, sondern vor der Kirche von Lampedusa, auf der Piazza della Chiesa, hat eine weitere Bank ihren Platz gefunden. Hier wird die Verbindung zwischen den Bedürfnissen der Ankommenden und der Inselgemeinschaft hergestellt. Die Bank lädt nicht nur zum Verweilen ein, sondern soll auch daran erinnern, dass Flucht und Ankunft keine abstrakten Begriffe sind, wie die mit der Koordination des Projekts betrauten Nonnen des örtlichen Klosters betonen. Es sind Geschichten von Menschen, die Teil der Realität von Lampedusa geworden sind.
Ein politisches Vakuum gefüllt mit Zivilcourage
Die Geschichte der Bänke ist auch eine Geschichte des Scheiterns. Der Molo Favaloro ist seit Jahren ein Brennpunkt der Migration, doch grundlegende Bedürfnisse wie Sitzmöglichkeiten, Hygiene oder Schutz vor dem Wetter werden von den zuständigen Behörden ignoriert. Freiwillige und lokale Initiativen mussten die Lücken füllen, von der Installation von Toiletten bis zur Bereitstellung von Bänken.
„Jede Bank ist ein stiller Protest gegen das Versagen der Politik“, sagt eine Aktivistin des Forums Lampedusa Solidale. „Wir tun, was getan werden muss, aber wir können die Verantwortlichen nicht ersetzen. Es ist ihre Aufgabe, menschenwürdige Bedingungen zu schaffen“.
Die Bänke am Molo und vor der Kirche sind mehr als nur Gegenstände. Sie sind ein stiller Appell. Sie sind Mahnmale. Sie erzählen von einer Zivilgesellschaft, die sich dem Vergessen widersetzt. Von Menschen, die sich nicht mit dem Zustand der Gleichgültigkeit abfinden.
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