Es gab eine sehr dramatische Landung. Die Erstversorgung der Angekommenen brachte uns alle nahe unserer Grenzen. Danach hat mir eine Mitarbeiterin die Rettungsweste eines zweijährigen Kindes gegeben. Ich hielt sie in den Händen, starrte darauf und brach fast in Tränen aus. Sie war so klein und bedruckt in fröhlichen Farben. „Pool School“ – damit sollten Kinder schwimmen lernen, nicht ihr Leben auf hoher See absichern.
Noch Tage zuvor habe ich die Anfrage einer Künstlerin auf Instagram, ihr doch Rettungswesten zu schicken, brüsk abgelehnt. Nun liegt diese Weste in meinem Zimmer, und ich starre immer wieder darauf.
Kunst aus Rettungswesten: Zeugen des Unfassbaren
Rettungswesten haben längst ihren Weg in die Kunst gefunden. Sie stehen dort nicht nur für das Überleben, sondern auch für das Versagen einer Weltordnung, die Menschen zwingt, ihr Leben solchen Stoffstücken anzuvertrauen.
1. Ai Weiwei: „F Lotus“
3. Pedro Pires: 14.000 Newton
Warum übt die Rettungsweste eine solche Faszination auf uns aus? Vielleicht, weil sie mehr ist als ein Objekt – sie ist ein Paradoxon. Ein Zeichen für Rettung und Gefahr, Hoffnung und Verzweiflung zugleich.
Ihre grellen Farben schreien nach Aufmerksamkeit, doch sie verbergen die Geschichten derer, die sie tragen mussten. Sie wird zu einem Symbol, das uns die abstrakte Tragödie der Flucht nahebringt, während es gleichzeitig Distanz schafft. Wir betrachten sie als greifbare Zeugen einer Krise – und doch bleibt oft der Mensch dahinter unsichtbar.
Diese Ambivalenz ist gefährlich. Sie reduziert das Leid der Flucht auf ein Symbol, macht es leichter konsumierbar und ästhetisch verdaulich. Rettungswesten als Kunst oder in sozialen Medien können Betroffenheit erzeugen – aber verändern sie auch etwas?
Solange wir Rettungswesten als Symbole vermeintlicher Sicherheit feiern – inszeniert als letzte Rettung vor dem tödlichen Meer – zeigen wir, wie tief die Welt in ihrer Verantwortung versagt. Die Fetischisierung dieser Westen, die in sozialen Medien als emotionaler Clickbait herhalten, lenkt ab von der eigentlichen Tragödie: einer Weltordnung, die Babys dazu zwingt, auf „Pool School“-Westen für ihr Überleben zu vertrauen, statt ihnen sichere Wege zu ermöglichen.
Statt die Rettungsweste zu glorifizieren oder zu romantisieren, sollten wir uns fragen, warum sie überhaupt notwendig ist – und wie wir eine Realität schaffen können, in der sie keine Rolle mehr spielt.